Peinliche Situation

  • Hallo,


    Habt ihr auch schon einige peinliche Erlebnisse gehabt, nur weil ihr dick seit?
    Bei mir im Büro ist die Tür für die Toilette ziemlich eng. Zur Freude meiner Kollegen muss ich mich da immer durchquetschen, deshalb gehe ich nicht so gerne auf der Arbeit zur Toilette.
    Ich nehme auch keinen großartig in meinem Auto mit, weil mein Bauch ans Lenkrad kommt.
    Mir ist das echt peinlich, ich weiß wenn ich schlanker wäre, hätte ich solche Probleme nicht. Abnehmen ist schwierig, habe schon einiges probiert.

  • Wenn jemanden etwas peinlich ist, begibt er/sie sich quasi in die Opferrolle und ist somit das Futter für die Leute, ich würde da mal bei deinen Kollegen auf den Tisch hauen, statt sich beschämt klein zu machen.

  • Es stimmt, daß man sich gerne "genante" oder "verschämte" Personen als Opfer aussucht, weil die sich nicht wehren, aber: Zu dem Rabatz-machen Vorschlag kann ich nur bedingt zuraten, denn es gibt tiefere Gründe, warum die Leute lachen, die man verstehen muß.


    Dieses Verhalten ist (wohl, wenn ich das richtig verstanden habe und auf dem Stand der Dinge bin - ich bin keine Psychologin-) eine Form der Schadenfreude. Der Mensch empfindet nach der Wissenschaft dann Schadenfreude, wenn er glaubt, daß jemandem sein Schicksal recht geschieht. (Ein recht interessanter populärwissenschaftlicher Artikel zum Thema Schadenfreude findet sich hier.


    Schadenfreude soll mit Neid in Verbindung stehen (hier vielleicht mit "Futterneid"?) oder auch mit ausgleichender Gerechtigkeit. In dem Artikel wird zum Beispiel der Vorgesetzte, der Reiche usw. genannt.


    Wenngleich man (sehr) Dick sein, heute sicherlich in unserer Überflußgesellschaft nicht mit sozialem Status gleichsetzen würde, so ist der Mensch emotional noch nicht in unserer Zeit angekommen. Als Dicke kommen wir ja besser über den Winter, gleichzeitig - so glaubt der unterbewußt noch in armen Zeiten lebende - daß wir uns diesen zusätzlichen Speck auf seine Kosten bzw. auf Kosten der Nahrungsvorräte der Gemeinschaft usw. angefressen haben. Jetzt freut er sich, wenn wir "unser Fett wegkriegen". Überhaupt erscheint das vielleicht unterbewußt als ein ungeheurer Wohlstand so dick zu sein, auch weil es schwierig ist, gewisse körperliche Tätigkeiten zu erledigen (in der Frühzeit der Menschheit wäre das allenfalls für Häuptlingsfamilien denkbar gewesen). Ein weiteres nicht historisches Argument mag darin liegen, daß heutzutage oft die (vermeintlichen oder tatsächlichen) Kosten für das Gesundheitssystem in der öffentlichen Debatte betont werden.


    Eine weitere Funktion des Auslachens ist es den oder die "Gestrauchelte" auf den "richtigen Pfad" zurückzubringen - hier also abzunehmen.



    Wie man sich wehren kann, ist eine schwierige Frage. Auf den Putz zu hauen erscheint mir problematisch, es handelt sich um eine Firma und wenn das schiefläuft, kann der Betriebsfrieden in Gefahr sein, richtiges Mobbing kann aufkommen, auch der Gang zu einem Vorgesetzten muß nicht Aussicht auf Erfolg haben, vielleicht denkt der ja (insgeheim) genauso. Das angesprochene Auf-den-Tisch-hauen wäre für mich aber allenfalls im privaten Umfeld eine Ultima-Ratio-Lösung, in der Firma trägt man - wenn es schon in Richtung Mobbing geht - das besser den Vorgesetzten vor, da das Unternehmen seine Mitarbeiter grundsätzlich vor so etwas zu schützen hat. Im Nichtumfeld bei Zufallsbegegnungen kann man natürlich mal verschiedene Strategien ausprobieren, wie sich anderen der Mund stopfen läßt.


    Als erstes würde ich (bei Bedarf) im Betrieb mal versuchen, darüber (ich meine über dem unreflektierten Verhalten der Kollegen) zu stehen, vielleicht sogar mitzulachen. Oder ich würde versuchen, vernünftig das Gespräch mit den Kollegen zu suchen, sie um ihre Motive befragen. Ob es gelingt, bei den Kollegen Empathie zu wecken, ist eine komplexere Frage, da ich die Leute nicht kenne. Es gibt nun einmal zwar zum einen solche Menschen, die auf den Hinweis, daß man sehr unter einem Verhalten leiden muß sich besinnen und sofort aufhören, andere fühlen sich dann aber gerade erst recht durch "Erfolg" bestätigt und bestärkt.


    Ich denke, man braucht sich prinzipiell nicht für sein Übergewicht zu genieren. Bei Deinem Türproblem würde ich ganz persönlich wohl mit einem Lächeln und ohne anklagenden Unterton irgendwas sagen wie "habt ihr wieder Euern Spaß auf meine Kosten, wen ihr die Dicke nicht hättet müßtet ihr viel mehr Trübsal blasen", ich glaube nicht, daß ich das Bedürfnius hätte, irgendwelche unterbewußten Dinge an die Oberfläche zu ziehen.


    Der Schadenfreude-Komplex ist aber überhaupt kompliziert, wenn man bedenkt, daß manche Menschen auch lachen, wenn ein wildfremder (äußerlich unauffälliger) Mensch, die Treppe runterfällt und sich verletzt. Ich habe mal den Satz gehört "geschieht dem grade Recht, wenn er zu dumm zum Laufen ist". Da oft Jugendliche zu Schadenfreude neigen, ist das auch ein Zeichen für Unreife, solche Menschen stehen moralisch (noch) nicht so hoch, daß man ihr Unwerturteil wirklich fürchten müßte.


    Du mußt wohl schon damit rechnen, daß einige der Lachenden (die, die zuerst lachen), zumindest unterbewußt so etwas denken, wie "was frißt die Fette auch so viel, geschieht ihr ganz recht, wenn sie nicht durch die Tür paßt". Wobei, wie gesagt oft irrationale Mißgunst die Grundlage sein wird.


    Ansonsten kenne ich solche subjektiven Peinlichkeiten natürlich auch. Darüber, daß ich mich irgendwo durchzwängen muß stehe ich allerdings drüber. Wenn ich allerdings aus irgendwelchen Gründen (das ist jetzt nicht dickenspezifisch) nicht das Leisten kann, was man von mir erwarten könnte (wie ich finde), dann ist mir das peinlich, oder wenn ich jemandem anderweitig unnötige Umstände mache. Sich zu schämen ist auch nicht prinzipiell verkehrt, denn ganz schamlose Menschen sind oft rücksichtslose Egoisten. Aber man sollte sich auch nicht jedem irrationalen Tadel durch die Gesellschaft oder gesellschaftliche Gruppen bzw. Einzelmenschen unterwerfen. Dick zu sein ist vielleicht objektiv kein Idealverhalten, aber jeder Mensch weicht mehr oder weniger vom Idealverhalten ab.


    Ach ja: Generell würde ich versuchen, wenn andere über einen Lachen, nicht eingeschnappt zu sein, Kritik als Teil des Lebens anzunehmen, aber mich davon auch nicht verrückt machen oder gar steuern zu lachen. Aber es ist immer schwierig aus der Ferne Diagnosen zu geben, wenn man die involvierten Menschen nicht kennt.

  • Wobei das Lachen im Grunde auch harmloser sein könnte, denn wenn man zum Beispiel in den Circus geht und dort über einen Clown lachen, lacht man im Normalfall auch nicht aus Schadenfreude. Dann wäre es mehr oder weniger nur fehlende Empathie für Dich angesichts einer für die Kollegen subjektiv komischen Situation. Ich denke, die Übergänge sind irgendwie zu graduell, und wir Menschen uns zu wenig bewußt, warum wir in einer bestimmten Weise handeln, um von Fern die Sache beurteilen zu können. Deshalb bin ich auch grundsätzlich gegen zu starke Reaktionen.

  • Danke Rosemarie für deine Antwort.
    Ich war zwar immer etwas dicker, nur in letzter Zeit habe ich sehr viel zugenommen, was für mich unangenehm ist und mir im Endeffekt peinlich ist, weil ich durch mein Dick sein einige Probleme bekommen habe. Mein Selbstbewusstsein ist auch nicht das Größte und sicherlich, wenn ich schlanker wäre, dann hätte ich diese Probleme nicht. Ich habe schon oft versucht abzunehmen, oft mit nicht viel Erfolg

  • Vielleicht solltest Du in Erwägung ziehen, Dir professionelle Hilfe suchen, wenn Dich die Situation so sehr belastet. Abnehmtips kann ich Dir nicht geben, ich bin ja auch im selben Format. Ich bin im allgemeinen eher selbstsicher (wenn auch kein Betonklotz) , was den Umgang mit Menschen angeht, ich weiß aber, daß solche Sprüche, wie "einfach selbstsicherer werden", nicht viel nützen. Aber ich denke du mußt versuchen, Dich irgendwie selbst zu akzeptieren. Daß Du jetzt so dick bist, macht Dich ja nicht zu einem "minderwertigen" oder gar "wertlosen" Menschen.


    Ich denke generell sollte man das Thema Gewicht und Selbstwertgefühl trennen. Ja, eine Gewichtsabnahme ist bei Menschen von unserer Statur objektiv sinnvoll und wenn man (frau) mag, kann man dann auch auf seine Leistung stolz sein, aber wenn es schon unvermeidbar ist, daß unser Gewicht uns physisch nach unten zieht, dann sollten wir es psychisch nicht auch noch tun lassen. Ich denke, Du hast ganz bestimmt einen guten und lieben und empfind- und einfühlsamen Charakter. Bewahr' Dir den, aber lass' Dir nicht von anderen oder von Dir selbst Dein Leben verdüstern. Du hast offenbar ein Auto und einen Arbeitsplatz (mehr weiß ich über Dich nicht) und damit leistest Du Deinen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben und hast etwas, das selbst in unserer Wohlstandsgesellschaft nicht alle haben. Und Dein Gewicht trägst Du auch selbst, da kann sich also im Grunde keiner über Dich beklagen.

  • Da sind schon einige sehr gute Tipps und tiefgründige Informationen beigetragen worden. Da ich eben in Schreiblaune bin, gebe ich meinen Senf auch noch dazu.


    Ich hatte schon viele Situationen, die manche als peinlich erachtet hätten. Beispiele gefällig?


    - Etliche Stühle verschiedenster Bauart kaputt gemacht
    - Der Empfangsdame im Hotel erklären müssen, dass ich mein Bett Kleinholz ist und ich ein anderes brauche
    - Im Vergnügungspark nicht in den Sitz gepasst
    - Von einer Flugbegleiterin darauf hingewiesen worden, dass ich mich nicht auf die Armlehnen setzen soll, weil diese sonst kaputt gehen
    - Usw.


    Mir ist das aber nie peinlich gewesen. Mein erster Gedanke ist „sollen die doch richtige Stühle hinstellen“. Ich weiß, dass ich groß bin und schäme mich nicht dafür. Aber so was kann ich dir nicht beibringen. Das musst du für dich selbst lernen und vermutlich ist das ein Prozess, der lange dauern wird.


    Rosemarie hat in ihrem letzten Beitrag zu diesem Thema einen sehr wichtigen Punkt gebracht: Gewicht und Selbstwertgefühl trennen. Das mag schwierig klingen, denn unsere Gesellschaft und Umwelt verbindet beides oft in einer negativen Weise. Trotzdem kannst du an dir selbst arbeiten, um diesen Zusammenhang für dich zu löschen. Das eine hat absolut nichts mit dem anderen zu tun. Schließlich hast du Sachen in deinem Leben erreicht, auf die du stolz sein kannst. Und das hast du unabhängig von deinem Gewicht gemacht. Wieso also, beides zusammen verbinden? Es gibt keinen logischen Grund dazu! Das Ganze fängt im Kopf an und ich denke du machst dir viel zu viele Gedanken, was andere wohl über dich denken. Das würden sie auch tun, wenn du schlank wärst. Die meisten meinen das möglicherweise gar nicht böse und sind sich nicht bewusst, was sie bei dir damit auslösen.


    Zu deinem Beispiel mit dem Auto: Wenn ich jemandem die Gelegenheit gebe bei mir mitzufahren, sollte diese Person dankbar sein und mindestens Anstand wahren. Und wenn da ein blöder, ernst gemeinter Spruch käme, dann kannst du sicher sein, dass diese Person den Rest des Weges zu Fuß geht – und wenn es auf einer Autobahnraststätte ist!! :evil:;)

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