Mein Körper und ich. Oder ich und mein Körper. Oder wie oder was? ;-)

  • Heute im Morgengrauen, als ich verschwiemelt und gähnend an meiner Kaffeetasse hing, bin ich zufällig in die Diskussion zum Thema "Zeigt Ihr euch gerne nackt...?" gestolpert, in dem es vornehmlich um die Wahrnehmung vermeintlicher Schönheitsfehler als Hemmnis, Ärgernis oder ernsthaften Makel ging. Eine Stunde später in der U-Bahn ist mir das Thema wieder eingefallen. Dort saß mir nämlich ein alter Herr gegenüber, der den gängigen Schönheitsidealen schon seines Alters wegen kein bisschen entsprach. Er war weder besonders gutaussehend noch gut gekleidet noch sonstwas. Aber es war einfach schön, ihn anzuschauen, weil sein Gesicht von so viel Leben erzählt hat. Am schönsten waren die Lachfalten um die Augen - wie Sonnenstrahlen :)


    Ähm, worauf wollte ich hinaus? Nunja, ich denke einfach, dass jeder Körper die Geschichte eines Lebens erzählt. Die Narbe am Knie ist da, weil ich als Kind mal vom Rad gefallen bin. Da an der Hand hab ich mich verbrannt, als ich selbstgemachte Pizza aus dem Backofen holen wollte. Meinen Zeigefinger habe ich mal in die Brotschneidemaschine gehalten, als ich mit 16 in der Kneipe gejobbt habe – das sieht man auch immer noch. Man sieht auch, dass ich lieber Spaghetti Bolognese mit viel Käse als gedünstete Sellerieschnitzel esse. Dass ich traurig oder einsam war, und versucht habe, den Schmerz mit Schoki zu betäuben – aber das bin eben alles ich.


    Ich persönlich empfinde makellose (falls es so etwas überhaupt gibt) oder der Norm entsprechende Körper eher als langweilig. Sie erzählen nichts und lassen nichts entdecken, sondern bieten mir lediglich Projektionsfläche. Insofern ist ein perfektes (und damit meine ich: bewusst auf Idealmaß und sonstige Schönheitsdogmen getrimmtes) Aussehen vielleicht viel eher ein Schutzpanzer als meine Fettschicht.


    Rückblickend fällt mir auf, dass ich meinen Körper nicht leiden konnte oder mich sogar für ihn „geschämt“ habe, als ich auch mir selbst und meinem Leben mit einer geradezu unerbittlichen Strenge begegnet bin. Nie war ich - oder etwas, das ich getan habe - mir selbst gut genug. Seit einiger Zeit ist das glücklicherweise nicht mehr so (zumindest meistens. naja, ich arbeite dran ;). Und siehe da, auch mein Körper darf endlich wieder zu mir gehören. Er darf sogar, genau wie ich, Fehler haben und unperfekt sein. Ein verdammt schönes Gefühl.


    Tschja, so kann man durch dieses Forum hier ins Grübeln (und Schwafeln) kommen... ;)


    Grüße!
    y

  • Zitat

    Ich persönlich empfinde makellose (falls es so etwas überhaupt gibt) oder der Norm entsprechende Körper eher als langweilig. Sie erzählen nichts und lassen nichts entdecken, sondern bieten mir lediglich Projektionsfläche . Insofern ist ein perfektes (und damit meine ich: bewusst auf Idealmaß und sonstige Schönheitsdogmen getrimmtes) Aussehen vielleicht viel eher ein Schutzpanzer als meine Fettschicht .

    der text ist wirklich sehr sehr schön geschrieben und ich empfinde es genauso wie du.


    Stöpsel*die froh ist, daß es dds gibt* :)

  • genau. also wennich mir diese models angugge, da kannich mir auch barbie anguggen. Wahrscheinlich ein perfeker Anblick, der meinem Auge aber nichts bietet an dem er hängenbleiben könnte.

  • Zitat

    Ich persönlich empfinde makellose (falls es so etwas überhaupt gibt) oder der Norm entsprechende Körper eher als langweilig. Sie erzählen nichts und lassen nichts entdecken, sondern bieten mir lediglich Projektionsfläche.

    Ich habe oft bei US-TV-Serien das Problem, die Handelnden zu unterscheiden (vor allem bei Frauen, eingeschränkt auch bei Männern). Die schauen für mich alle gleich aus.
    Und ich finde das auch extram langweilig *gääähn*. Die Welt ist bunt. Und die Menschen sind groß, klein, dick, dünn, blond, schwarz.
    Ganz egal, was man schön findet, aber wenn alle einem Typ entsprechen... :rolleyes:

    If the doors of perception were cleaned everything would appear to man as it is, infinite.
    (William Blake)

  • Hallo Ruby,
    Danke für deinen Text.
    Er spricht mir aus der Seele, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.
    Auch ein Körper wird erst interessant, wenn er etwas zu erzählen hat.
    Wenn man ihm ansieht, dass er gelebt hat und noch lebt.
    Wenn ein liebender Mensch fragt...woher ist diese Narbe? Oder Schwangerschaftsstreifen und Narben küsst.
    Respektiert und liebt, dass gelebt wurde und dass Leben Spuren hinterläßt.


    Makellose "Schönheit" ist so spannend wie eine Rolle Klopapier.
    Es riecht gut, sieht sauber und frisch aus aber man kann es drehen und wenden solange man will, es wird nichts erzählen.


    Liebe Grüße
    Karina

  • Hallo ihr Lieben,
    ich kann das sehr gut nach vollziehen. Ich arbeite in einem Altenheim und in der Wohngruppe in der ich arbeite gibt es eine alte Frau: sie ist fast 90 und die Haut hängt eigentlich überall in Falten. Wie das so ist wenn man alt wird :)
    In ihrem Geschicht ziehen sich auch so tiefe Falten durch und erzählen von ihrem Leben auf dem Land. Sie hat ganz lange graue Haare und ihre Augen leuchten, ganz besonders ist ihre Art zu schimpfen, zu Lachen, ihre Sprüche den sie den Tag überbringt und allen ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen.
    Alle Menschen auf der Station lieben sie ! :) von den anderen BewohnerInnen bis zum Personal.


    Mit meiner Nacktheit hatte ich bisher keine Probleme. Leider wird mir von der Außenwelt neuerdings immer wieder erzählt ich müsste mich verstecken. Ich will mich aber dadurch nicht verunsichern lassen.
    Manchmal setzte ich mich auch ins Schwimmbad und schaue mir die Leute ALLE genau an. "Wer enstspricht denn wirklich dem propagierten Schönheitsideal ?" Auch Menschen die besonders dünn sind, sind in meinen Augen nicht immer auch gleich schön !
    Im Grunde habe ich so und so eine andere Welt im Kopf: "Wo man auf den Menschen, seinen Charakter schaut, auf Augen, Gesten, Erlebnisse..un die vielen ander en Dinge die einen ausamchen.

  • Das ist wirklich ein schöner Text!


    Ich finde aber, dass man Schönsein nicht nur an der Optik feststellen kann. Es kommt auf die Ausstrahlung an. Eine Kollegin von mir z. B. sieht auf den ersten Blick ziemlich fad aus. Als ich sie aber kennenlernte, war ich hellauf begeistert. Inzwischen finde ich sie richtig hübsch. Sie ist klug, lacht viel, erzählt tolle Storys, kann Leute gut nachahmen und Grimassen schneiden. So eine tolle Persönlichkeit wie sie habe ich kaum kennengelernt. Alle lieben sie!


    Eine andere Bekannte von mir, sieht auf den ersten Blick einfach phantastisch aus: wunderschöne Haare, perfekte Figur, tolles Gesicht usw. Als ich sie näher kennenlernte, fand ich sie langweilig, naiv und nicht besonders clever.

  • Ich hab mal in der U-Bahn eine Frau gesehen, die selbst ich umwerfend fand. An ihr paßte einfach alles: Haare, Gesicht, Figur - echt ein Traum, ich hätte in dem Moment gern mit ihr getauscht!


    Doch dann stiegen wohl Freunde von ihr zu und begrüßten sie lautstark. Und sie strahlte zurück, zeigte ihre perlweiß-gebleichten und wunderschön geformten Zähnchen... und dann hörte ich ihre Stimme!!! :eek: sag ich nur! Schade, daß man hier keine Stimme wiedergeben kann! Aber DAS zerstörte wirklich diesen wunderschönen Gesamteindruck und beim Gespräch, das ich - leider, leider - mit anhören konnte, wurde auch deutlich, daß sie zwar wunderschön aussah, aber nicht viel dahintersteckte.


    Dazu gibt's übrigens auch ein Gedicht, das ich Euch nicht vorenthalten möchte:


    Ich kannte mal jemanden, der war wunderschön.
    Von links,
    von rechts,
    von oben,
    von unten,
    von vorn,
    von hinten.
    Nur nicht von innen!


    In diesem Sinne:
    Ganz herzliche Grüße,
    Carina

  • Das habe ich zwar schon einmal gehört, aber dennoch danke für die Erinnerung! :cool:

  • Ruby, Danke für Deine Worte ! Du hast so Recht mit dem, was Du geschrieben hast.


    Ich fand schon immer Menschen schön, die nicht makellos waren und konnte nie verstehen, was alle an Claudia Schiffer oder Verona Feldbusch so wunderschön finden.


    Als ich ca. 10 war, war ich mal total verschossen in einen Jungen, der rote Haare und ganz viele Sommersprossen im Gesicht hatte. Alle ärgerten ihn deshalb, aber mir gefielen genau diese Sommersprossen und seine Haare... ;) (auch wenn er meine Gefühle nicht erwiederte).

  • hallo :)


    ich konnte meinen körper auch lange nicht annehmen. in letzter zeit ändert sich das aber und zum ersten mal fange ich an in zuzulassen als meinen körper...als etwas das nunmal ich bin, zu mir gehört. schönes gefühl *lächelt*


    lg.
    pezi

  • Wirklich richtig schlimm finde ich es, wenn sich Frauen haben ihre Lippen aufspritzen lassen.


    Dann könnte ich mich schütteln.... buah.... Das sieht soooo schlimm aus... Wenn ich mir vorstelle, ich wäre Mann und "müßte" diese Lippen küssen ....wuuuuah... *schnellwegrenn*


    Yps - ein sehr schöner Beitrag. Ich seh es genauso!


    :cool: Rubensweib

    [ 17-07-2004, 13:21: Beitrag editiert von: Rubensweib ]

  • Yps, deine Gedanken haben mich sehr bewegt und du sprichst mir tief aus dem Herzen.
    Ich hatte letzten Sommer einen schweren Unfall, der drei schwere Operationen zur Folge hatte. Ich habe viel Blut verloren und mein Leben hing teilweise an einem seidenen Faden. Doch ich habe gekämpft. Als Erinnerung an das ganze, habe ich eine ca. 30cm lange Narbe, die meinen Bauch in zwei Teile teilt. Ich würde aber nie auf die Idee kommen, diese per Laser entfernen zu lassen, da sie ein "Zeichen des Lebens und der Veränderung " für mich geworden ist. Mit meinen 18 Jahren stand ich am Abgrund und habe den Sprung geschafft.
    Heute lebe ich intensiver und einpaar früher nervende Kilos können mich, da nicht mehr stören.


    Liebe Grüße Calliditas

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