Heute im Morgengrauen, als ich verschwiemelt und gähnend an meiner Kaffeetasse hing, bin ich zufällig in die Diskussion zum Thema "Zeigt Ihr euch gerne nackt...?" gestolpert, in dem es vornehmlich um die Wahrnehmung vermeintlicher Schönheitsfehler als Hemmnis, Ärgernis oder ernsthaften Makel ging. Eine Stunde später in der U-Bahn ist mir das Thema wieder eingefallen. Dort saß mir nämlich ein alter Herr gegenüber, der den gängigen Schönheitsidealen schon seines Alters wegen kein bisschen entsprach. Er war weder besonders gutaussehend noch gut gekleidet noch sonstwas. Aber es war einfach schön, ihn anzuschauen, weil sein Gesicht von so viel Leben erzählt hat. Am schönsten waren die Lachfalten um die Augen - wie Sonnenstrahlen
Ähm, worauf wollte ich hinaus? Nunja, ich denke einfach, dass jeder Körper die Geschichte eines Lebens erzählt. Die Narbe am Knie ist da, weil ich als Kind mal vom Rad gefallen bin. Da an der Hand hab ich mich verbrannt, als ich selbstgemachte Pizza aus dem Backofen holen wollte. Meinen Zeigefinger habe ich mal in die Brotschneidemaschine gehalten, als ich mit 16 in der Kneipe gejobbt habe – das sieht man auch immer noch. Man sieht auch, dass ich lieber Spaghetti Bolognese mit viel Käse als gedünstete Sellerieschnitzel esse. Dass ich traurig oder einsam war, und versucht habe, den Schmerz mit Schoki zu betäuben – aber das bin eben alles ich.
Ich persönlich empfinde makellose (falls es so etwas überhaupt gibt) oder der Norm entsprechende Körper eher als langweilig. Sie erzählen nichts und lassen nichts entdecken, sondern bieten mir lediglich Projektionsfläche. Insofern ist ein perfektes (und damit meine ich: bewusst auf Idealmaß und sonstige Schönheitsdogmen getrimmtes) Aussehen vielleicht viel eher ein Schutzpanzer als meine Fettschicht.
Rückblickend fällt mir auf, dass ich meinen Körper nicht leiden konnte oder mich sogar für ihn „geschämt“ habe, als ich auch mir selbst und meinem Leben mit einer geradezu unerbittlichen Strenge begegnet bin. Nie war ich - oder etwas, das ich getan habe - mir selbst gut genug. Seit einiger Zeit ist das glücklicherweise nicht mehr so (zumindest meistens. naja, ich arbeite dran ;). Und siehe da, auch mein Körper darf endlich wieder zu mir gehören. Er darf sogar, genau wie ich, Fehler haben und unperfekt sein. Ein verdammt schönes Gefühl.
Tschja, so kann man durch dieses Forum hier ins Grübeln (und Schwafeln) kommen...
Grüße!
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